Direkter Urbanismus.
Die Rolle von Kunst und künstlerischen Strategien für gesellschaftlich engagierte Stadtplanung
In ihrer kumulativen Dissertation reflektiert Barbara Holub, wie ihre kritische künstlerische Praxis und ihre künstlerisch-urbanistischen Strategien zu einer gesellschaftlich engagierten Stadtentwicklung beitragen und damit eine Veränderung in der Gesellschaft bewirken können. Für diese transdisziplinäre Praxis zwischen Kunst, Urbanismus und Architektur gründete sie transparadiso, gemeinsam mit dem Architekten Paul Rajakovics. Als Entgegnung auf neoliberale Stadtplanungspolitik entwickelte transparadiso die Methode des direkten Urbanismus, in der Planung und Handlung ineinandergreifen, um damit auch auf ungeplante Veränderungen reagieren zu können. Direkter Urbanismus involviert künstlerisch-urbanistische Strategien längerfristig in Stadtplanungsprozesse und agiert entgegen der Dichotomie von Top-down- und Bottom-up-Planung.
Die Dissertation versammelt ausgewählte Projekte und Texte zu aktuellen urbanen und gesellschaftlichen Herausforderungen und zeigt die Erkenntnisse, die Barbara Holub im Rahmen ihres Forschungsprojekts „Planning Unplanned – Towards a New Positioning of Art in the Context of Urban Development“ gewonnen hat. Projekte und Texte werden hier in der Wechselwirkung von „Forschung durch Praxis“ zusammengeführt und dabei aus der Komplexität der wechselnden Perspektiven – zwischen kritisch engagierter Kunst und Urbanismus – betrachtet. Obwohl es seit vielen Jahren eine wachsende Produktion innovativer urbanistischer, künstlerischer und sozial engagierter Praktiken gibt, fanden diese bis dato kaum Eingang in die dominante Planungspraxis. Die wesentliche Frage ist daher: Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, um sozial gerechte Stadtentwicklung umsetzen zu können, gemeinschaftliche Werte zu fördern und damit den dominanten neoliberalen wirtschaftlichen Interessen entgegenzuwirken? Entscheidend ist das Zusammenwirken verschiedener Expertisen – nicht nur aus Kunst, Architektur und Stadtplanung, sondern auch aus Soziologie, Anthropologie, Stadtforschung und von ExpertInnen, die sozial orientierte ökonomische Modelle entwickeln. Deshalb entwarf Barbara Holub in ihrem Forschungsprojekt „Planning Unplanned“ die neue transdisziplinäre Rolle des Urban Practitioners.
Den Projekten und Texten vorangestellt ist ein ausführlicher Einführungstext, in dem Barbara Holub erstmals ihre künstlerisch-urbanistischen Strategien anhand ihrer Projekte analysiert und miteinander verbindet. Sie untersucht kritisch das Thema Partizipation und propagiert vielmehr neue Formen der Zusammenarbeit zwischen ExpertInnen, die in den verschiedenen Feldern agieren, jedoch auch zwischen AuftraggeberInnen und AuftragnehmerInnen und anderen am Planungsprozess Beteiligten, um sozial engagierten Planungsmethoden wie direktem Urbanismus zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür schafft transparadiso künstlerisch-performative Situationen, in denen insbesondere das Spiel sowie Methoden zur kollektiven Wunschproduktion eingesetzt werden. Die Beteiligten produzieren Visionen für urbanistische Programme, die ihre divergierenden Interessen und damit eine Vielfalt für das Zusammenleben widerspiegeln.
Im Schlusstext fasst Barbara Holub zusammen, was Kunst kann und eben nicht (bewirken) kann. Sie hinterfragt kritisch den Ruf nach Best Practice und endet mit einem Plädoyer für Bildung als wesentliche Bedingung, um Stadtentwicklungsprozesse im Sinne des Gemeinwohls und einer gerechteren Gesellschaft nachhaltig verändern zu können.